Kino

«In a better world» (Heavnen): Brutal ehrlich!

29.03.2011 - Walter Roth

Die dänische Regisseurin Susanne Bier wird von Film zu Film besser. Der Frau gehört so bald wie möglich ein Oscar für die beste Regie!

Darf, soll, kann man selber brutal werden, um andere Menschen vor schlimmster Brutalität zu schützen und sie an den Täter-Monstern zu rächen?
Diese Kernfrage ihres neuesten Films wird nicht beantwortet; aber Susanne Bier zeigt mit höchst lebensnahen Situationen, wie es verschiedensten Menschen damit geht und wie sie darauf antworten. Packend, verstörend und aufwühlend in jeder Seqenz, ist die Bildsprache von so enormer Dichte und künstlerischer Qualität, dass man trotzdem irgendwie beglückt das Kino verlässt.

Zwei Kernbeispiele aus dem Inhalt: Ein Däne, der als Arzt in einem afrikanischen Flüchtlingslager arbeitet, wird mit «Big Man» konfrontiert, einen Ungeheuer von Despoten, der Mädchen schwängert, mit seinen Kumpanen Wetten abschliesst, ob es ein Bub oder Mädchen wird und die jungen Frauen dann aufschlitzt, um nach zu schauen!

Zuhause in Dänemark schlägt Christian, der Freund seines Sohnes Elias, den grössten Bully der Klasse, der Elias plagt und mobbt bis aufs Blut, mit einer Velopumpe krankenhausreif und bastelt eine Bombe, um dem grössten Schlägertypen des Quartiers, sei Auto in die Luft zu jagen.

In beiden Situationen erwischt man sich bei Rachegelüsten und Schadenfreude. Aber kann Gewalt Gewalt auslöschen und verhindern?
Nebst den tollen Schauspielern sind es vor allem die grossartigen, farbensatten und mit einem enormen Gespür ausgewählten Landschaftskulissen und – Aufnahmen, die dem Film seinen unverwechselbaren Susanne Bier-Qualität verleihen.

Auf keinen Fall verpassen. Bis 31. März im Lunchkino. Nachher im arthouse-Programm.
 

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Kommunikation

Alles freiwillig!

28.03.2011 - Walter Roth

«Freiwillig» ist ein schönes Wort; und freiwillig für andere tätig werden eine noch schönere Sache. Sie bringt Sinn ins Leben und erzeugt rundum gute Gefühle.

Ein schöner Beweis dafür sind die nachfolgenden Statements, die ich Ende 2010 aufgrund von Interviews in Altersheime der Stadt Zürich erstellen durfte (2011 ist das Jahr der Freiwilligen).

Informationen aus erster Hand, von denen, die ganz nahe dran sind, einholen und in eine gute Form bringen – das ist eine meiner liebsten Aufgaben. Vielleicht auch mal für Sie...?


«Es macht einfach so viel Freude...»


Diese von mir eingeholten und verdichteten Statements von freiwilligen Mitarbeitenden der Altersheime der Stadt Zürich erscheinen 2011 alle 14 Tag im «Tagblatt der Stadt Zürich», zusammen mit tollen Bildern der Fotografin Susi Lindig. Sie sprechen für sich selbst:



«Als Fachfrau bei der AHV erlebe ich täglich, wie belastend der Umgang mit Behörden und Formularen für viele Betagte sein kann. Darum betreue ich in der Freizeit Bewohnerinnen und Bewohner, die bei der Stadt Zusatzleistungen beantragen möchten. Sie sind so erleichtert und so dankbar, und wir kommen uns auch menschlich näher – das finde ich sehr bereichernd...»

Petra Fischer (26), freiwillige Mitarbeiterin im Altersheim ......



«Mein Rauhaar-Zwergdackel Gisi hat (als ausgebildeter Therapiehund) ein unglaubliches Gespür für demenzkranke Menschen. Wenn wir zu Besuch gehen, lässt sie sich von allen gerne streicheln. Oder sie kuschelt sich an sie und bläst ihnen ihren warmen Atem ins Ohr. Es sind wunderbare Erlebnisse, die ich nicht missen möchte.»

Susi Villiger, freiwillige Mitarbeiterin im Altersheim ......



«Etwa fünfmal im Jahr komme ich mit meinem Keyboard ins Altersheim und spiele zwei Stunden lang Evergreens und Lieblingsmelodien aus der Jugendzeit der Senioren und Seniorinnen. Und schon bald wird mitgesungen, geschunkelt, ja getanzt. Und wenn ich sehe, wie sogar die Auge der Demenzkranken leuchten, macht mir das riesig Freude!»

Fritz Kägi, freiwilliger Mitarbeiter im Altersheim ....



«Seit 12 Jahren betreue ich hier Bewohnerinnen und Bewohner, gehe mit ihnen oder für sie einkaufen, zum Postschalter, zum Zahnarzt, auf Spaziergänge. Und ich freue mich immer noch auf diese Begegnungen. Es ist jedes Mal neu und ich erlebe bewegende, überraschende, lustige und natürlich auch herausfordernde Situationen. So ist das Leben!»

Vreni Mossato, freiwillige Mitarbeitern im Altersheim .....


«Als erfahrener IT-Fachmann begleite ich einige Bewohnerinnen und Bewohner an ihrem Computer. Jeweils eine Stunde lang. können sie mir ihre Fragen und Probleme erzählen, und wir lösen sie gemeinsam. Auf ihrem Zimmer, vor ihrem eigenen Gerät, in ihrem Tempo. Das wird enorm geschätzt. Und die Freude ist gross, wenn’s dann klappt!»

Kurt Leemann, freiwilliger Mitarbeiter im Altersheim ....



«Seit letztem Sommer organisieren mein Kollege Peter Zimmermann und ich wöchentlich Pétanque-Nachmittage auf dem fein gekiesten Platz hinter dem Heim mit 6-8 Bewohnern und Bewohnerinnen. «Boccia mit Eisenkugeln» macht einfach gute Laune, ist geruhsam und braucht viel Gelassenheit; und wer hat mehr davon als alte Menschen!»

Martin Mäder, freiwilliger Mitarbeiter im Altersheim ....



«Ich betreue hier die 88jährige Freundin meiner verstorbenen Mutter und die andern BewohnerInnen auf ihrem Stockwerk. Gute Gespräche, Kleider kaufen gehen, auf Ausflüge begleiten – wir geniessen das alle sehr. Es verblüfft und berührt mich immer wieder, was diese betagten Menschen alles erlebt und durchgemacht haben!»

Milly Fischer, freiwillige Mitarbeiterin im Altersheim ....



«Jeden Donnerstag Nachmittag komme ich hier in die Cafeteria zur Jass-Runde mit Bewohnerinnen und Bewohnern. Wir spielen Schieber, klopfen Sprüche, erzählen von früher. So gehen die 2-3 Stunden im Nu und bei bester Stimmung vorbei. Immer dabei ist mein schwarzer Riesenschnauzer Don Carlos. Er lässt sich gern streicheln.»

Mirta Greter, freiwillige Mitarbeiterin im Altersheim



«Einmal im Monat wird gesungen! Mit etwa 10 Bewohnerinnen und Bewohnern stimme ich die Lieder an, die sie lieben, von «Hab oft im Kreise der Lieben..» bis «Mini Tante fahrt im Hüenerstall Motorrad.». Ja, gerade «Lumpeliedli» und Schlager aus alter Zeit sind beliebt. Ich staune immer, wie oft früher in den Familien noch gesungen wurde...»

Rosmarie Berger, freiwillige Mitarbeiterin im Altersheim...



«Montagmorgen 09.30 Uhr ist Lotto-Time im Kafi Waldwinkel. Eine wachsende Schar von Bewohnerinnen und Bewohnern fiebert mit Leidenschaft vor ihren Lottokarten. Und wer eine voll hat und «Lotto» rufen darf, kann noch Tage lang davon erzählen! Ich bin die Lotto-Fee und mein Partner zieht die Nummern und ruft sie aus.»

Helga Forster, freiwillige Mitarbeiterin im Altersheim....



Alle Namen aus Datenschutzgründen geändert.
© by Walter Roth, Zürich, 2010
 

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Wandern

Ein Schneeschuh-Traum!

21.02.2011 - Walter Roth

Gott sei Dank gibt es sie noch – die Glücksmomente, die man nirgends kaufen und auch nicht vom www herunterladen kann. Hier das Rezept für die ultimative Winterwander-Ekstase, persönlich ausprobiert von Eurem WRblogger am 18. Februar:

Mit seiner/seinem Liebsten nach Lü fahren, dem kleinen Dorf auf der Sonnenterrasse über Fuldera im Val Müstair (Lü heisst deutsch einfach «Licht»), Schneeschuhe anschnallen und der Spur unter dem Wegweiser «Piz Terza» folgen. Nach ca. 2 Stunden Aufstieg durch den Bergwald und über diesen hinaus steht man auf der Fuorcla Sassalba (2610 M.ü.M.) und hat den ganzen Südtiroler Alpenkranz vor sich, inklusive die imposante Ortler-Gruppe.

Aber der eigentliche Schnee-Traum beginnt, wenn man die Fuorcla überschreitet und ins Val Costainas hinuntersteigt. Ringsherum nichts als glitzernde, unberührte Wellen von Schneelandschaft. Darüber ein paar kantige Gipfel mit tollen Namen: Piz Terza, Piz Starlex, Piz Vallatscha, Piz d’Astras. Vor einem das sanft absteigende Val Costainas, das ins S-charltal mündet. An seinen Hängen der sagenhaften Arvenwald von Tamangur, dem höchst gelegenen in Europa (bis 2300 M.ü.M.). Keine Spur von Lärm, Dreck, Verkehr, Skiliften und anderen Segnungen der Zivilisation. Nur Weite, Reinheit und Stille. Und zwar absolute Stille – mitten in dieser riesigen Weite. Das muss man erlebt haben und dann auch aushalten!

Nach total 3-4 Wanderstunden je nach Tempo kommt man zur herrlich gelegenen Alpwirtschaft «La Posa», zu deutsch die Pause, auf der Alp Champatsch und gelangt auf einem Spazier-Alpsträsschen in 50 Minuten zurück nach Lü (Hier gibt’s im Hirschen einen legendären Apfelstrudel mit Vanillesauce!)

Fazit: Ein runder Wandergenuss der Spitzenklasse, der nichts kostet ausser etwas Muskelkraft in den Wanderbeinen. So haben wir’s am liebsten!
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Leben

2011: Pflege deine Nächsten wie dich selbst!

10.01.2011 - Walter Roth

All meinen Blog-Lesenden wünsche ich ein 2011 voller Lebendigkeit und erfreulichen Überraschungen! Was macht Lebensjahre reich und erfüllt? Je älter ich werde, desto mehr bin ich überzeugt, es sind vor alle die guten und tragenden Beziehungen zu unseren Nächsten. Mit einem tragenden Netz aus Partnerschaft und Freundschaften lässt sich fast alles aushalten und durchstehen, was das Leben oder das Schicksal unvermeidlich an uns heran trägt. Man lebt damit besser, länger, gesünder und fröhlicher. Gute und dauerhafte Beziehungen sind unendlich viel wertvoller als alles Geld, aller Besitz und alle Pseudo-Sicherheitspolicen.

Die einen brauchen einen ganzen Schwarm von Bezugspersonen, andere, wieder Autor, beschränken sich auf einige wenige, umso wertvollere.
Wie auch immer: Als erste Begegnung sind sie ein Geschenk des Himmels, des Schicksals oder von was auch immer. Allerdings sollte man auch wach genug sein, um zu spüren: Da kommt ein Mensch auf mich zu, der wichtig werden könnte! Und dann den Mut aufbringen, Offenheit zu signalisieren und sehr achtsam die ersten kleinen Beziehungs-Schritte wagen.

Noch schwieriger aber umso lohnender ist es, wichtige Beziehungen am Leben und Blühen zu erhalten. Meine Erfahrung lautet: Man muss es erstens wollen und zweitens immer wieder etwas Kleines dafür tun. Ehen, Partnerschaften und Freundschaften bleiben nicht einfach von selber gut, weil man ja nun doch zusammen gehört oder sich schon lange kennt. Kleine Zeichen der Zuneigung und Dankbarkeit, aktive Kontaktpflege, viel Zuhören und aufeinander eingehen, aber alles ganz entspannt, ohne Druck und Übertreibung, so lautet mein seit Jahrzehnten erprobtes Rezept. Die Sache ist heikler als die Pflege eines Bonsai-Bäumchens. Immer ein bisschen begiessen, zurecht stutzen, nähren und umsorgen, nicht zuwenig und nicht zuviel, sonst stirbt er unweigerlich. Ich wünsche Euch allen von Herzen wieder ein Jahr lang viel Freude und Erfolg damit!
Zoom

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Kino

Was zählt wirklich im Leben? (Kino-Tipp)

14.12.2010 - Walter Roth

Kein Sex, keine Love-Story, kaum Action – und doch gingen 3 Millionen Franzosen dafür ins Kino: Der Film «Des Hommes et des Dieux» von Xavier Beauvois hat dieses mittlere Wunder geschafft. Warum?
Ich glaube, weil die acht Mönche in ihrem abgelegenen kleinen Kloster im hohen algerischen Atlas eine Frage beantworten müssen, die jeden Menschen tief bewegt. Was ist wichtiger; einfach länger leben oder weiter die Aufgabe erfüllen, für die das Schicksal uns in die Welt gestellt hat?

Sie könnten flüchten, nach Frankreich oder in ein anderes, sichereres Kloster, und so verhindern, dass sie von den islamischen Extremisten umgebracht werden, die Algerien vor 16 Jahren in einen schlimmen Bürgerkrieg stürzten.
Aber das nahe Dorf und seine muslimische Bevölkerung braucht sie umso dringender, je mehr die Gräuel zunehmen und immer näher kommen.

Über Wochen ringen die Mönche im Gespräch im Gebet, als Gruppe und letztlich doch jeder für sich, um die Antwort. Und am Ende entschliessen sich alle zum Bleiben, bis sie schliesslich als Geiseln verschleppt und unter bis heute nicht geklärten Umständen grausam ermordet werden.

Was den Film so unerhört faszinierend macht, sind einerseits die hervorragenden französischen Schauspieler, aber auch die Tatsache, dass sich die Handlung fast genau so wirklich abgespielt hat. Beauvois hat akribisch alle Aufzeichungen, Tagebücher und Berichte aufgearbeitet und berücksichtigt.

Was zählt wirklich im Leben? Die Frage sollte man eigentlich als Spruchband in die neue Weihnachtsbeleuchtung an der Bahnhofstrasse hängen. Mitten in den Business-Rummel, der von Jahr zu Jahr schlimmer wird.

Läuft bis Do im Lunchkino, nachher im normalen Arthouse-Programm. Sehr empfehlenswert als weihnächtliche Atem- und Denkpause...
 

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