«Wahrer Sieg heisst nicht, den Gegner zu vernichten. Wahrer Sieg schenkt Liebe und verwandelt das Herz des Gegenübers. Diese Satori-Erkentnis von O’Sensei bedeutet, dass Liebe wahre Macht ist und die Anwendung göttlicher Weisheit, nicht das Ausüben eng begrenzter menschlicher Stärke. Alle grossen spirituellen Lehrer haben aufgefordert, seinen Feind zu lieben, eine höchste Form von Liebe. Wo Liebe und Respekt herrschen, gibt es keine Feinde mehr. Wenn wir nicht länger von Hass und Ego geblendet sind, wird jeder Gegner zu einem Teil von uns selbst. Ja, der Gegner wird zum Lehrer, der uns hilft, unsere Konzepte und unsere Technik zu verbessern. Das unerlässliche Gegengewicht, das unsere Sinne schärft. Mit nicht von Hass getrübter Sicht können wir die Standpunkte und Bewegungen unseres Gegenübers reflektieren, sein Leben und seine Schwächen verstehen. Der wichtigste Punkt in jedem Budo-Training ist, seinen Gegner wirklich zu verstehen. Sobald wir ihn verstehen, können wir ihn gar nicht mehr hassen. Nur so lässt sich der wahre Weg der Harmonie entdecken. Das ist weder Schwäche noch Sentimentalität, sondern die strikte Macht universeller Liebe. Liebe sollte nie schwach sein. Denn oft ist es ihre Aufgabe zu disziplinieren und Schmerz zuzufügen. Manchmal gibt es keine andere Wahl als eine Schwäche zu zerstören.» (Aus Aikido + the harmony of nature, von Mitsugi Saotome Sensei) |
Alle Schwäne sind weiss – davon waren Europäer bis ins 17. Jahrhundert überzeugt. Dann wurde Australien entdeckt. Dort gibt es schwarze Schwäne. Was keiner für möglich gehalten hätte, war auf einmal unumstössliche Realität. Extrem unwahrscheinliche Ereignisse, schwarze Schwäne eben, gibt es viel häufiger, als wir denken. Und sie verändern die Welt und unser persönliches Leben viel stärker als alles, was wir aufgrund dessen erwarten konnten, was wir bereits wissen. Der Siegeszug des Internets, die Terrorattacken vom 11.09.01, der Erfolg von Google, die Finanz- und Wirtschaftskrise, der Herzinfarkt oder Hirnschlag, aber auch die Traumpartnerin oder die nie erwartete Berufschance – alles schwarze Schwäne! Niemand hätte sie voraus sagen können, und wenn, hätte ihm kein Mensch geglaubt. Das Problem: Wir denken in schlüssigen Geschichten, verknüpfen Fakten zu einem stimmigen Bild, nehmen die Vergangenheit als Modell für die Zukunft. So schaffen wir uns eine Welt, in der wir uns beruhigt zu recht finden. Aber die Wirklichkeit ist anders: Chaotisch, überraschend, unberechenbar. Wer weiss, dass es schwarze Schwäne gibt, und dass wahrscheinlich immer mehr davon auf uns zukommen, je globaler wir uns vernetzen, der traut keinem Experten mehr, sondern stellt sich mehr und mehr darauf ein, dass die Zukunft nicht voraussagbar ist. Wer das schafft, entdeckt die Schönheit des Zufalls und die Poesie des Chaos. Eine total vorhersehbare Welt wäre todlangweilig und staubtrocken! Begrüssen wir die schwarzen Schwäne und überlegen wir uns, wie wir mit ihnen umgehen könnten. Denn dass sie kommen, ist das einzig absolut Sichere in der Welt. Buchtipp: Der schwarze Schwan. Die Macht höchst unwahrscheinlicher Ereignisse, von Nassim Nicholas Taleb, Hanser-Verlag, ISBN 978-3-446-41563-3 |